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Frankfurt am Main, 27. Mai 2021. Eine Transplantation1 inmitten der Coronavirus-Pandemie: Wie haben Betroffene die Zeit des Wartens erlebt und wie geht es ihnen heute? So verschieden ihre jeweilige Geschichte auch sein mag, eines haben diese dreiMenschen gemeinsam: Für sie ist das Organ, das sie dank einer Organspende erhalten haben, ein überaus großes Geschenk – für sie selbst und für ihre Familien.
Jana Schmidtgen (7) lebt seit November 2020 mit einem neuen Herz. Sie genießt das Leben außerhalb der Klinik und dass sie mit anderen Kindern an der frischen Luft spielen kann. Das Interview ist ab Seite 2 zu lesen.
Renate Braun (68) hat im September 2020 eine neue Lunge bekommen. Seitdem fühlt sie sich wieder voller Energie. An jedem Abend freut sie sich bereits auf den neuen Tag, der vor ihr liegt. Auf Seite 3 beginnt das Interview.
Heiko Dietrich (59) bekam im Oktober 2020 ein neues Herz. Er würde sich wünschen, mit den Menschen persönlich sprechen zu können, die der Organspende ihres Angehörigen zugestimmt haben. Das Interview ist ab Seite 5 zu lesen.
Unermüdlicher Einsatz in deutschen KrankenhäusernJedes Organ zählt bei der Organspende. Daran hat sich während der Coronavirus-Pandemie nichts geändert. Dass die Organspende im vergangenen Jahr in Deutschland jedoch ohne einen starken Einbruch fortgeführt werden konnte, ist dem unverändertenEngagement in den Entnahmekrankenhäusern zu verdanken. Zudem konnte durch schnelle Maßnahmen eine breite Überforderung der Intensivstationen, wie sie in einigen europäischen Nachbarländern berichtet wurde, vermieden werden. Mehr Informationenund Zahlen dazu sind im DSO-Jahresbericht 2020 auf www.dso.de veröffentlicht.
Am 5. Juni ist bundesweit Tag der OrganspendeDie zentrale Veranstaltung findet aufgrund der anhaltenden Coronavirus-Pandemie wieder als Online-Event auf www.tagderorganspende.de statt. Im Mittelpunkt steht dabei das Motto „Entscheide Dich“, das möglichst viele Menschen dazu motivieren soll, sich mit dem Thema Organspende zu befassen und eine eigene, persönliche und selbstbestimmte Entscheidung zu treffen. Es ist aber auch ein Tag des Dankens und des Gedenkens an die Menschen und deren Angehörige, die durch ihr „Ja“ zur Organspende viele Leben gerettet haben.
Iris Schmidtgen berichtet über die Zeit vor und nach der Transplantation ihrer Tochter Jana (7), die aufgrund einer Erkrankung des Herzmuskels auf ein neues Herz angewiesen war.
Im November 2020 wurde Jana transplantiert. Wie geht es Ihrer Tochter heute?„Jana geht es gut und sie fühlt sich viel fitter als in der Zeit vor der Transplantation. Sie kann mit anderen Kindern draußen spielen und genießt das Leben außerhalb der Klinik.“ (Ergänzung von Jana:) „Mit meinem Tempo beim Rennen bin ich noch nicht so zufrieden. Dafür klappt es mit Radfahren und auf die Bäume klettern bereits prima.“
Haben Sie nun bestimmte Dinge geplant, die vor der Transplantation nicht möglich waren?„Ja, wir wünschen uns vor allem Urlaub. Im Krankenhaus haben wir beim Lesen und Filme schauen einige Ideen notiert. So würden wir gerne einen Teil des Rheinradweges entlangfahren, Wanderurlaub in den Alpen machen sowie nach England und Frankreichreisen. Diese Pläne müssen wegen der Pandemie allerdings noch etwas warten. Daher nehmen wir uns zunächst einzelne Tagestouren in der Umgebung vor.“
Wie hat Sie die Zeit vor der Transplantation geprägt? Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?„Die Wartezeit hat unsere Einstellung zu vielen Dingen verändert. Wir haben gesehen, wer in dieser schwierigen Phase zu uns hält und wer weniger. Es gab einige Menschen, die uns bedingungslos unterstützt haben. Dies war eine sehr schöne Erfahrung. Insgesamt kann ich sagen, dass wir uns mehr auf uns als Familie konzentrieren. Das Verhältnis untereinander ist inniger geworden. Wir haben festgestellt, dass wir im Grunde wenig brauchen, um glücklich zu sein. Das Wichtigste ist, dass wir für einander da sind. Als Mutter weiß ich es nun noch mehr zu schätzen, dass wir mit Jana bereits fünf unbeschwerte Kinderjahre erleben konnten, bis ihre Krankheit entdeckt wurde. Jetzt, nach der Transplantation, sind wir dankbar für die Lebensqualität, die wir heute wieder erlebenkönnen. Tief beeindruckt hat mich, dass Jana mit ihrem Schicksal nie gehadert hat. Sie war nicht verzweifelt, hat nicht gejammert. Sie versucht stets, das Beste aus der Situation zu machen. Ich glaube, dies ist bei uns Erwachsen nicht immer so.“
Im Dezember 2020 haben Sie in einem Post auf der Facebook-Seite des Deutschen Herzzentrum Berlin ein Foto von Ihnen und Ihrer Tochter veröffentlicht. Welches Anliegen haben Sie damit verbunden?„Wir wollten darüber unser Glück und unsere Dankbarkeit zeigen und nach außen tragen. Die Organspende ist das größte Geschenk, das wir als Familie bekommen haben. Freunde und Bekannte, die unsere Geschichte miterlebt haben, ist bewusstgeworden, wie wichtig das Thema eigentlich ist. Insgesamt wünschen wir uns viel mehr Aufklärung über Organspende und auch über die Frage ‚Wann ist ein Leben zu Ende?‘. Als Ärztin wurde ich vor vielen Jahren erstmals damit konfrontiert. Ich selbst habe mit Angehörigenfamilien Gespräche über die Organspende geführt, die sehr intensiv und sehr schön waren. Jetzt habe ich die Seite der wartenden Patienten kennengelernt. Ich hoffe einfach, dass viel mehr Menschen zu Lebzeiten ihre persönliche Entscheidung dazu treffen, ob sie nach ihrem Tod Organe spenden möchten.“
Renate Braun (68) war aufgrund einer nicht heilbaren Lungenkrankheit auf eine Transplantation angewiesen. Sie bekam die neue Lunge im September 2020.
Wie geht es Ihnen heute? Wie fühlen Sie sich mit der neuen Lunge?„Es geht mir wunderbar. Ich habe wieder eine ganz andere Lebensqualität im Vergleich zu vorher. Jetzt lebe ich wieder auf, fühle mich befreit und voller Energie. Zudem habe ich schon wieder eine gute Kondition. Voller Begeisterung steige ich Treppen. Vor derTransplantation habe ich für 54 Stufen 15 Minuten benötigt. Luft holen, 3 bis 4 Stufen steigen und dabei langsam ausatmen. Heute erklimme ich die Plattform der Siegessäule mit über 285 Stufen und genieße den Ausblick auf Berlin. Ich schaue positiv nach vorne,selbst beim Schlafengehen freue ich mich bereits auf den nächsten Tag. Zudem bin ich erfüllt von der Dankbarkeit gegenüber dem Menschen, der sich entschieden hatte, Organe zu spenden. Ich empfinde es als großes Glück, dass das Organ, das ich bekommen habe, so passend ist. Der Chirurg, der meine neue Lunge eingesetzt hat, ist für mich ein wahrer Künstler. Nach der OP habe ich mich relativ früh bemüht aufzustehen und wieder mobil zu werden. Und bereits 7 Wochen nach der Transplantation war ich zu Hause. In der Klinik habe ich so schnelle Fortschritte gemacht, dass ich eher noch gebremst werden musste. Das gesamte Pflegeteam hat mich bei alledem sehr umsichtig und fürsorglich unterstützt. Auch diese wertvolle Hilfe hat sehr zu meiner Genesungbeigetragen.“Wie lange haben Sie auf die Transplantation gewartet und wie hat die Coronavirus-Pandemie diese Zeit beeinflusst?„Insgesamt habe ich fast 3 Jahre auf die Lunge gewartet. Davon war ich einige Monate als nicht transplantabel gemeldet, aufgrund der Folgen, die sich nach einer Lungenentzündung ergeben haben. Dennoch habe ich meine Wartezeit als eher kurz empfunden. Ich weiß von Patienten, die leider weitaus länger warten müssen und deren Gesundheitszustand sich verschlechtert. Ich konnte die Wochen und Monate des Wartens dazu nutzen, um mich auf die Transplantation und die Zeit danach vorzubereiten, z.B. auch mit Lungensport und Ergometer-Training. Dies hat sich als sehr hilfreich für mich erwiesen. Bestimmte Vorgaben, die sich aufgrund der Pandemie ergeben haben, habe ich bislang nicht als Einschränkung für mich empfunden.“
Haben Sie bestimmte Pläne für dieses Jahr, vielleicht für Dinge, die vor der Transplantation nicht so gut oder gar nicht möglich waren?„Ja, ich habe Wünsche und freue mich, wenn ich mir diese erfüllen kann. Meine Freunde haben bereits einige Vorschläge gemacht, was wir alles gemeinsam unternehmen können. Dazu zählt beispielsweise ein Spaziergang um den Schlachtensee, Wandern auf dem Havelhöhenweg, einfach mal draußen sitzen und Kaffee trinken oder wieder ins Museum gehen. Schon jetzt genieße ich die Spaziergänge, die möglich sind. Dazu hatte ich früher weder Kraft, Muße noch Kondition. Lediglich 15 Schritte habe ich mit meinem mobilen Sauerstoffgerät geschafft. Ich liebe es im Wald zu sein und die frische Luft zu atmen. Ebenso mag ich es, durch mein Stadtviertel zu gehen und hierbei einen Blick für die schönen Häuser zu haben.“
Haben Sie sich etwas Besonderes vorgenommen in der Zeit des Wartens?„In jedem Fall möchte ich mich in irgendeiner Weise für Menschen engagieren, die auch vom Thema Transplantation betroffen sind. Was genau dies sein könnte, muss ich noch herausfinden. Ich brauche auch noch etwas Zeit, um dafür genügend Kraft zu haben. Mit meinem Mann möchte ich unbedingt wieder nach Frankreich reisen können, das ist unser absolutes Lieblingsland. Ebenso freuen wir uns, wenn wir mit unseren Freunden gemeinsam kochen und in geselliger Runde gutes Essen genießen können – und das alles ohne Atemnot oder Erstickungsanfälle, sondern mit voller Vitalität, die nun wieder in mir ist.“
Müssen Sie im Hinblick auf Corona besondere Vorsichtsmaßnahmen beachten?„Im Prinzip befinde ich mich schon längere Zeit im persönlichen Lockdown. Da ich teilweise nur noch 20 Prozent meines Lungenvolumens nutzen konnte, musste ich bereits vor Corona sehr vorsichtig sein. Ich habe mich damals bereits so verhalten, wie es heute aufgrund von Corona nötig ist. Das heißt, Mundschutz tragen, auf Hygiene achten, sehr wenig persönliche Kontakte und keine Einkäufe in einem Ladengeschäft. Dadurch, dass jetzt Corona-bedingte Hygieneregeln gelten, fühle ich mich sogar ganz gut geschützt.“
Heiko Dietrich (59) war von einem akuten Herzversagen bedroht, als er auf die Warteliste aufgenommen wurde. Es begann mit einem Herzinfarkt vor vielen Jahren. Trotz eines später notwendig gewordenen Herzunterstützungssystems ließ die Leistung des Organs weiter nach. Heiko Dietrich wurde im Oktober 2020 transplantiert.
Wie geht es Ihnen heute? Wie fühlen Sie sich mit dem neuen Herz?„An jedem Tag geht es mir im Grunde gut. Ich höre viel in meinen Körper hinein und wenn ich spüre, dass es darin unruhig wird, dann nehme ich mir genügend Zeit zum Ausruhen. Ich vergleiche die Herztransplantation manchmal mit dem Austausch eines Motors bei einem Auto. Danach dauert es auch eine Weile, bis alle Einstellungen vorgenommen sind und er möglichst reibungslos läuft. So sehe ich das noch mit den Medikamenten, die ich seit der Transplantation nehmen muss und mit der Regulierung des Blutzuckers. Ich fühle mich ärztlich jedoch sehr gut betreut.“
In einem Bericht des Deutschen Herzzentrum Berlin von Ende Januar 2021 ist zu lesen, dass Sie bereits im Krankenhaus beruflich schon wieder aktiv waren. Wie sind Ihre weiteren Pläne? Hat sich für Sie etwas verändert?„Mein Leben ist insgesamt viel ruhiger geworden. Als ich noch voll berufstätig war, habe ich sehr viel gearbeitet, eigentlich den ganzen Tag über. Jetzt haben meine beiden Söhne mein Unternehmen übernommen und nur bei Bedarf unterstütze ich sie. Durch die Transplantation ist mir mein familiäres Umfeld sehr viel wichtiger geworden und ich pflege nun einen engeren Kontakt zu meinen Geschwistern. Wir sehen uns häufiger als früher. Zudem möchte ich in meiner Freizeit wieder meinem Hobby Angeln nachgehen. Ein Tag draußen am Angelteich ist wie eine Woche Urlaub. Ich freue ich mich auf das passende Angelwetter.“
In dem Bericht beziehen Sie sich auch auf den anonymisierten Brief, den Sie an die Familie des Spenders oder der Spenderin geschrieben haben. Wie war das für Sie?„Ich verspüre eine sehr große Dankbarkeit, wenn ich an den Menschen denke, dessen Herz ich bekommen habe. Die Transplantation ist etwas wahnsinnig Großes für mich. Es war mir daher ein Bedürfnis, einen anonymisierten Brief an die Angehörigenfamilie zuschreiben. Es ist mir allerdings nicht leichtgefallen. Ich habe längere Zeit dafür gebraucht, immer in der Sorge, dass ich nicht die richtigen Worte finden könnte. Eigentlich würde ich mir wünschen, mit den Menschen persönlich sprechen zu können. Dies ist leider nicht möglich.“
Wie haben Sie die Zeit des Wartens vor der Transplantation erlebt?„Von den rund 4 Jahren auf der Warteliste habe ich die letzten Monate im Krankenhaus verbracht. In dieser Zeit wurde meine Hochdringlichkeitslistung 4 Mal ausgesetzt. Dies war nicht einfach zu verkraften und es hat mich an meine Grenzen gebracht. Es gab Momente, in denen habe ich mich wie eine Nummer gefühlt. Geholfen haben immer wieder die Kontakte zu den anderen Patienten im Transplantationszentrum. Wir haben uns gegenseitig aufgebaut, jedoch auch die unterschiedlichen Schicksale miterlebt. Besonders schwierig wurde es, als durch die Coronavirus-Pandemie Besuche nicht mehr möglich waren und selbst das kurze Kaffeeholen in der Kantine unterbleiben musste. Oftmals habe ich tagsüber dann einfach meine Zimmertür offengelassen, um wenigstens die Stimmen vom Flur zu hören oder das Mädchen vorbei gehen zu sehen, das ebenfalls auf ein neues Herz gewartet und zum Glück auch eines bekommen hat. Selbst die Ärzte und Pflegenden haben in diesen Zeiten sehr zu kämpfen. Sie haben enorm viel zu leisten. Es ist mir sehr wichtig, dass ich an dieser Stelle allen Menschen aus dem Deutschen Herzzentrum unddem Paulinenkrankenhaus in Berlin ‚Danke‘ sagen kann. Sie waren immer für mich da und ich fühlte mich bestens betreut.“
Müssen Sie im Hinblick auf Corona besondere Vorsichtsmaßnahmen beachten?„Wenn ich Besuch von Freunden oder von der Familie bekommen, dann machen diese vorab einen Schnelltest. Zudem tragen wir medizinische Masken. Bevor ich aus der Reha nach Hause kam, habe ich meine gesamte Wohnung desinfizieren lassen. Die Beachtung von Hygieneregeln nach einer Transplantation ist sowieso sehr wichtig.“
Pressekontakt:Deutsche Stiftung OrgantransplantationAbteilung Presse- und ÖffentlichkeitsarbeitDeutschherrnufer 5260594 Frankfurt am MainTel.: +49 69 677 328 9401Fax: +49 69 677 328 9409E-Mail: presse@dso.de, Internet: www.dso.de
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